„Angie-Fieber“ und fast ein Eklat

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, 09.11.07, 19:19h,
AKTUALISIERT 11.11.07, 18:35h

Crawford – „Angela Merkel? Wird Zeit, dass eure Präsidentin vorbeikommt.“ Mit Jim Rectors Detailkenntnis steht es nicht zum besten, doch der Verkäufer im „Yellow Rose“ Andenkenladen zeigt sich begeistert. Die Visite der Kanzlerin auf der Bush-Ranch im Herzen von Texas bedeutet ein gutes Geschäft für die 730-Seelen-Stadt Crawford.So verschlafen die Gemeinde mit fünf Kirchen und einer Tankstelle wirkt – fliegt der US-Präsident mit Gästen ein, sind die Gewerbetreibenden hellwach. Nur 24 Stunden bevor Angela Merkel in Crawford erwartet wurde, bietet der Souvenirshop neue „Gedächtnis-Tassen“ an. „Vereint für Frieden und Demokratie, President George W. Bush und Bundeskanzlerin Angela Merkel, November 2007“ steht auf den Gefäßen, die für umgerechnet vier Euro auf Abnehmer warten. Dass sie wie warme Semmeln weggehen, bezweifelt Ladenbesitzerin Jamie Burgess nicht: „Hunderte deutscher Touristen werden kommen,“ sagt sie, „schließlich wurde Crawford ja von Deutschen gegründet.“ Ihre Vorväter aus Norddeutschland hätten um 1865 hier erste Häuser errichtet, sagt Burgess und winkt Polizeichef Eddie McCoy zu.

McCoy würde angesichts seines Leibesumfangs jeden Sprint gegen böse Buben verlieren. Doch Verbrecher, so versichert er, gebe es hier nicht. Auch beim „Octoberfest“ im Gemeindezentrum mit Bier vom Fass und Polka-Musik gab es nur „Gemuetlichkeit“. Dennoch zählt Crawfords Schutzmacht acht Polizisten, die sich vor allem mit Verkehrslenkung beschäftigen in einer Stadt, in der es da eigentlich nichts zu regeln gibt. Dafür darf am Patriotismus nicht gezweifelt werden: „Support our troops!“ – „Unterstützt unsere Truppen!“, mahnen überall Plakate. Vier Deutschland-Fahnen hat das Dörfchen extra gekauft, um die Straße schmücken zu können, wenn Merkels Kolonne auf dem Weg zur Bush-Ranch, die zwölf Kilometer außerhalb liegt, vorbeikommt. Als der Korrespondent bittet, die Fahnen sehen zu dürfen, zeigt sich: Crawford kennt den Unterschied zwischen Kalb und Ochse, aber nicht den zwischen jener Fahne, die einst für die DDR wehte, und der Flagge der Bundesrepublik. Als die „Angie“-Fans auf den Fehler aufmerksam gemacht werden, ist das Entsetzen groß – gefolgt von Erleichterung, die Blamage vermieden zu haben. Zur Belohnung erhält der Reporter eine DDR-Flagge und den Tipp, wie Bushs Ranch zu finden ist.

Die Straße schlängelt sich vorbei an Hecken, Weiden und grasenden Rindern. Plötzlich rote Schilder: „Nicht stoppen. Nicht stehenbleiben.“ Wer dagegen verstößt, wird von einem schwarzen Geländewagen mit dunklen Scheiben behelligt, aus dem Muskel-Männer steigen: „Bitte fahren Sie weiter!“ Der Tonfall duldet keinen Widerspruch.

Eine rot-weiße Schranke blockiert die Zufahrt zum Präsidenten-Grundstück. Der Hausherr zeigt zumindest hier einen Hauch Öko-Bewusstsein. Auf dem 1999 erworbenen Gelände wird Regen- und Abwasser aufbereitet. Und First Lady Laura habe eigenhändig Wildblumen und Gräser dort gepflanzt, wo bei Umbauarbeiten Natur zerstört wurde, berichten Einwohner von Crawford stolz.

Comments are closed.