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Harald-Schmidt-Kolumn: Winterreifen

Mittwoch, November 8th, 2006

| 08.11.06, 07:07 |

Harald Schmidt macht sich in seiner FOCUS-Kolumne Gedanken über die Neuregelung des Paragrafen 2 Absatz 3 a der Straßenverkehrsordnung.

Mit dem Paragrafen 2 Absatz 3 a der Straßenverkehrsordnung haben wir uns in letzter Zeit eher selten beschäftigt. Ein Fehler, wie sich jetzt zeigt, denn in seiner Neuregelung legt er fest, wie Autofahrer ihre Fahrzeuge für den Winter präparieren müssen. Fazit: Wer rutscht, ist fällig! Dabei ist es nicht so, dass Vater Staat jeden von der Straße schießt, der ohne Winterreifen erwischt wird. Vielmehr ist es in die Eigenverantwortung des Bürgers gestellt, wie er das Abrutschen vermeidet. Was sozial richtig ist, kann an der Steigung nicht falsch sein.

Winterreifen sind knapp

Eine allgemeine Winterreifenpflicht gibt es nicht. Zum Glück. Denn wer hätte das gedacht: In Deutschland sind Winterreifen knapp. Was man so aus dem Umfeld des Vulkanisierhandwerks hört, seien zwar 1,5 Millionen Reifen mehr produziert worden als sonst, aber es könnte trotzdem eng werden. Im Sinn von rutschig. Nur drei Reifen pro Kunden? Keine Reifen mehr für Fahrer ab 50? Vier Reifen pro Haushalt, egal, ob es sich um eine 90-Jährige ohne Führerschein handelt oder um ein kinderloses Ehepaar mit sechs Autos?

Gelegenheit, eines der wichtigsten Worte des aktuellen Sprechs zu benutzen: zeitnah. Der Kfz-Nutzer sollte zeitnah seine Winterreifen ordern. Am besten gestern. Entschleunigung (eine weitere In-Vokabel) wäre hier fehl am Platz. Sicher, wenn alle bestens für den Winter gerüstet sind, geht wieder ein Stück Charme verloren. Lässigkeit (Top-Wort) und Entspanntheit (ohne diesen Begriff kein aktuelles Schauspie lerinnenporträt). Wer hat nicht schon ein junges, frisch verliebtes Außer-Atem-Pärchen erlebt, das sich mit seinem alten Fiesta oder so in einer Freitags-Rush-Hour quer gestellt hätte, irgendwo zwischen Wuppertal und Bochum?

„Was sozial richtig ist, kann an der Steigung nicht falsch sein“

Die Reifen Modell „Gladioli“ drehen durch, es pfeift und jault, und durch die zugefrorenen Scheiben signalisieren die beiden: „Sorry, wir sind zu verknallt, um an Winterreifen zu denken.“ Da schlagen dann die Leistungsträger in ihren SUVs entnervt auf die Hupe, und wenn sie auf ihren 4-Millimeter-Profilen im Schritttempo an den Liebenden vorbeizuckeln, denken sie neidisch: Scheißkarre, aber die Alte ist geil!

Man kann nicht alles haben, und auch ein zeitnah geführtes Informationsgespräch mit der Initiative pro Winterreifen kann nachhaltige Glücksgefühle auslösen. Aber bei sieben Grad Celsius haben nur Winterreifen die Gummimischung, die Vati wieder sicher in den Schoß der Familie bringt. Und wer durch unkontrolliertes Rutschen sich und andere gefährdet, kassiert auch mal einen Punkt in Flensburg. Morgen gehen wir zum Händler.

(FOCUS)

Quelle: http://www.focus.de/panorama/boulevard/harald-schmidt-kolumne…