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Wachsender Zeitungsmarkt am Sonntag
Die Hamburger Morgenpost erschien letzten Sonntag erstmalig am siebten Tag der Woche. Das Hamburger Abendblatt reagierte kurzfristig, präsentierte zur allgemeinen Überraschung bereits eine Woche zuvor sein Sonntagsblatt. Für Hamburger Zeitungsverlage wird der siebte Tag der Woche zum Kampftag. Und auch in Schleswig-Holstein soll es ab 15. November keine zeitungsfreien Tage mehr geben. Gerade für Anzeigenkunden sind die Sonntagsausgaben interessant. Dann nämlich treffen die Konsumenten nach Branchenangaben Kaufentscheidungen. Am einstigen Ruhetag bieten die Zeitungen also besonders attraktive Werbeflächen. Das haben mehrere überregionale Zeitungen schon lange erkannt, beliefern ihre Leser deshalb mit umfangreicher Lektüre. Zapp über den Kampf um Auflage und Aufmerksamkeit am einstigen „Tag des Herrn“.
So sieht sie aus – Hamburgs neueste Sonntagszeitung. Mopo-Verkäufer: „Moin, die neue Sonntags-Mopo für Sie!“ Seit dem Wochenende ist sie im Handel, eingeführt mit einer großen Marketingaktion, für 70 Cent pro Exemplar. Die „Morgenpost“ kommt jetzt immer sonntags, doch damit ist sie in Hamburg nicht die Einzige. Denn der Axel-Springer-Verlag war schneller. Schon eine Woche früher brachte er das „Hamburger Abendblatt am Sonntag“ auf den Markt. Mitarbeiter erfuhren erst in letzter Minute davon. Ein Überraschungscoup gegen den kleinen Konkurrenten. Florian Kranefuß, Geschäftsführung Axel-Springer-Verlag: „Es ist eine Abwehrmaßnahme generell, weil hier ein Wettbewerber auf den Sonntagsmarkt eintritt, was einer der Kernmärkte von Axel-Springer ist und dieses zudem in einem weiteren Kernmarkt macht, nämlich dem Regionalmarkt Hamburg.“ Klaus-Dieter Krieger, Geschäftsführung „Hamburger Morgenpost“: „Das hat uns etwas überrascht, muss ich ganz ehrlich sagen, weil wir ja überhaupt nicht gegen das Abendblatt angetreten sind, sondern das kam wie Kai aus der Kiste, nicht ganz unerwartet, weil es da, wie gesagt, seit einem Jahr diese Schubladenversion gibt, aber es gab keine Sonntagsausgabe des Hamburger Abendblatts, insofern sind wir auch nicht gegen das Abendblatt angetreten.“ Die Sonntagsausgabe der „Morgenpost“ – für den Springer-Verlag ein „Eindringling“.
David gegen Goliath
Bisher dominiert Springer den Hamburger Sonntagsmarkt. Irene Neverla, Institut für Journalistik Uni Hamburg: „Es ist ein Kampf David gegen Goliath, und das Interessante ist ja, dass Goliath sich sehr schnell hat herausfordern lassen.“ An den Kiosken in Hamburg hat der Wettlauf gerade erst begonnen. Doch auch bundesweit ist der einst zementierte Markt heftig in Bewegung: Die Verkaufszahlen der drei großen Sonntagszeitungen haben sich stabilisiert. Springer dominiert bisher den Markt mit der „BamS“, der „Bild am Sonntag“ und der „Welt am Sonntag“ kurz „WamS“. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, kurz „FAS“, seit fünf Jahren auf dem Markt, hat sich schnell etabliert und erreicht immer mehr Leser. Gerade für die Werbung ist der Sonntag also ein hochattraktiver Markt. Jörg Laskowski, Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger: „Wir glauben, dass auf dem Anzeigenmarkt da noch Potential ist, das es also auch von den Anzeigenkunden angenommen wird, weil eben auch die Anzeigenkunden wissen, dass sonntags Kaufentscheidungen gefällt werden, gerade die Markenartikler, Autohersteller, Reiseveranstalter, ähnliches. Da könnten wir uns vorstellen, dass diese Anzeigenkunden sich freuen würden, wenn es mehr Sonntagspublikationen geben würde.“
Attraktive Werbeflächen
Die Sonntagszeitungen: Attraktive Werbeflächen. Bisher vor allem die drei etablierten Titel. Jetzt drängen Lokalzeitungen nach, wollen auch ein Stück vom Anzeigen-Kuchen. Doch der Markt birgt Risiken. Etwa, wenn den Lesern die Sonntagslektüre allein schon reicht. Irene Neverla: „Denkbar ist auch, dass die Werbewirtschaft zum Teil wenigstens zum Ergebnis kommt, Montag bis Freitag können wir auch vernachlässigen, viel interessanter ist das Wochenende, also Samstag oder womöglich nur Sonntag.“ Und das ist nicht alles: Sonntagsausgaben sind in der Produktion sehr teuer. Viele Verlage haben zwar Pläne für eine siebte Ausgabe, zögern aber aufgrund der hohen Kosten. Jörg Laskowski: „Sowohl in der Produktion, im Druck, zahlen sie natürlich gemäß Tarifvertrag entsprechende Zuschläge. Der Sonntagsvertrieb ist sehr aufwendig, so dass sie eben genau prüfen müssen und auch genau wissen, wieviel Auflage sie erzielen müssen und welche Werbeumsätze sie erzielen müssen, Anzeigenumsätze. Und dann wird das ganze einfach zu einem Rechenbeispiel.“ Der Axel-Springer-Verlag kann sich diese Kosten leisten.
Massive Werbekampagne von Springer
Und er leistet sich noch mehr. Um den kleinen Konkurrenten „Morgenpost“ zu bekämpfen, wurde in Hamburg eine massive Werbekampagne gestartet. In der öffentlichen Wahrnehmung soll es nur das „Abendblatt am Sonntag“ geben. Klaus-Dieter Krieger: „Die boykottieren ja nicht unsere Autos, die bedrohen keine Einzelhändler, das sind ja seriöse Geschäftsleute. Also, sie können höchstens insofern uns Schwierigkeiten machen, als dass sie die ganze Macht ihrer Werbung in die Schlacht werfen, die ist bei uns natürlich deutlich geringer, dieses Potential fällt bei uns natürlich deutlich geringer aus.“ Schwieriger Start für den Verlag der „Morgenpost“. Den Redakteuren sitzen Stellenstreichungen im Nacken, mit der Sonntagszeitung sollen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Der Konkurrent hingegen hat einen deutlich längeren Atem. Irene Neverla: „Interessant finde ich, dass das Abendblatt eben doch Sorge hatte, dass durch diese Sonntagsausgabe des kleinen und ja im Grunde genommen unbedeutenden Konkurrenten, der ja schon seit Jahren immer wieder fast totgesagt ist, aber doch ernst genug genommen wird, um diese Kraftanstrengung selber zu machen und mit einem eigenen Blatt herauszukommen.“ Der publizistische Sonntag versetzt Verlage in Aufbruchstimmung. Angeblich kein Verdrängungsmarkt. Große Hoffnungen, aber in Hamburg hat der Kampf gerade erst begonnen.
Quelle: Zapp